130 Milliarden vom Staat: Kommt jetzt die Inflation ?

130 Milliarden will die Bundesregierung ausgeben, Europa plant gar 500 Milliarden (500.000.000.000€) Mehrausgaben, um die Wirtschaft in der Corona-Krise zu stabilisieren. Auch Italien, Frankreich und Spanien nehmen weitere Kredite auf und wollen mehr ausgeben. Muss diese Schuldenlawine uns nicht unweigerlich in die Inflation führen?

Wenn meine Großmutter von der Inflation sprach, dann zeigte sie uns Enkeln gern den alten 1000-Mark-Schein auf dem mit einem Stempel aufgedruckt war, dass er nun 1.000.000 Reichsmark wert sei. Und sie erzählte die Geschichte, dass man damit am Vortag hätte ein Brot kaufen können, wenn es denn noch eins gegeben hätte. Am nächsten Tag schon hätte man höchstens noch eine Scheibe Brot dafür bekommen. Diese Erfahrung haben damals vor knapp hundert Jahren in Deutschland Millionen von (Ur-)Großmüttern und -vätern gemacht und später ihren Enkeln berichtet. So sind viele von uns heute noch schnell alarmiert, wenn von Inflation die Rede ist.

Wie entsteht denn nun Inflation?

Wie kann das Geld seinen Wert verlieren? Früher glaubte man, und viele glauben das heute noch, dass der Wert des Geldes durch seine Knappheit entsteht. Je weniger Geld es gibt, desto mehr ist es wert. Deshalb glaubte man lange, dass es nur so viel Geld geben sollte, wie es Gold im Keller der Bank gab. Es zeigte sich aber insbesondere in der Phase der Industrialisierung, dass der Bedarf an Geld sehr viel schneller wuchs als die Goldreserven. So schuf man z.B. den Wechsel, der unter Kaufleuten ähnlich wie Geld verwendet wurde, die Banken gaben sehr viel mehr Kredite als durch ihre Goldreserven gedeckt waren und irgendwann gab man die Goldbindung ganz auf, weil man erkannt hatte, dass sie für das Geldsystem nur hinderlich war.

Der Wert des Geldes bemisst sich nun danach, was man dafür kaufen kann. Das heißt, er hängt einerseits davon ab, wie viel Geld die Menschen in einem Monat so durchschnittlich ausgeben können und wollen und andererseits, wie viel in diesem Monat durchschnittlich an Gütern und Dienstleistungen produziert werden kann. Steigen die Produktion und Löhne im gleichen Verhältnis (und wird auch nicht mehr gespart), dann bleibt der Geldwert gleich. Steigt die Produktion stärker als die Löhne, dann müssten die Preise sinken, damit alle Produkte verkauft werden können.

Die Produzenten und Händler haben aber mit den bisherigen Preisen kalkuliert und geplant. Sie können und wollen daher die Preise nicht unmittelbar senken. So bleiben einige auf den Waren sitzen und gehen pleite oder sie müssen die Waren so billig verramschen, dass sie Ihre Kredite nicht mehr bedienen können. Wir haben dann Deflation. Das Geld ist jetzt zwar mehr wert, aber die Kreditrückzahlung wird dadurch schwerer, weil die Kredite ja zum Nominalwert (zum ursprünglichen Preis) zurück gezahlt werden müssen. Wenn nun Firmen pleite gehen, weil nicht mehr alles gekauft werden kann, was produziert wurde, wird zwar jetzt weniger produziert. Das heißt aber nicht, dass nun wieder alles verkauft werden kann, denn durch die gestiegene Arbeitslosigkeit ist auch die Kaufkraft weiter gesunken. Es entsteht weiterer Druck auf die Preise – ein Teufelskreis beginnt, den nennt man dann Rezession. Eigentlich denken wir ja, dass das eine gute Sache ist, wenn die Preise sinken. Aber unser kapitalistisches Wirtschaftssystem reagiert darauf sehr zuverlässig mit Rezession, Krise und Arbeitslosigkeit.

Ohne Inflation geht die Wirtschaft kaputt

Unser Wirtschaftssystem funktioniert also gar nicht ohne ein bisschen Inflation. In der Eurozone hat man sich deshalb darauf geeinigt, dass eine Inflationsrate von 2% pro Jahr geld- und wirtschaftspolitisch angestrebt werden soll. 1)

Wie bekommen wir nun das nötige Maß an Inflation? Wie oben gesagt, bemisst sich der Geldwert danach, was die Leute so durchschnittlich im Monat ausgeben und dem was so in einem Monat produziert wird. Es ist also recht einfach: Wenn wir ein bisschen Inflation wollen, dann müssen die Löhne ein bisschen stärker steigen als die Produktion. Das führt dann erst einmal zu leichten Preissteigerungen. Dann reagieren aber einige Betriebe auf die steigende Nachfrage mit Produktionssteigerungen. Dazu müssen sie mehr Personal und/oder mehr Maschinen einsetzen. Beides führt zu mehr Beschäftigung, entweder direkt im Betrieb oder beim Maschinenbauer. Erst wenn die Wirtschaft voll ausgelastet ist, also bei Vollbeschäftigung, führen weitere Lohnsteigerungen zu mehr Inflation. Das Ganze ist auch als goldene Lohnregel 2) bekannt, welche besagt, dass die Löhne in einem Land immer so steigen sollten wie die durchschnittliche Produktivität plus der geplanten Inflationsrate.

Wenn der Staat Geld druckt

Was passiert nun, wenn der Staat viel frisch gedrucktes oder geliehenes Geld ausgibt? Es passiert das Gleiche, wie bei einer allgemeinen Lohnerhöhung: Es kommt zu leichten Preissteigerungen, die aber schnell durch Produktionssteigerungen ausgeglichen werden, so lange die Wirtschaft noch Arbeitskräfte findet. Erst bei Vollbeschäftigung (in Europa) müssten die Staatsausgaben gedrosselt (oder die Steuern erhöht) werden.

Für unsere Corona-Krise heißt das: Erst wenn die Rettungsprogramme größer sind als die Einkommensverluste durch den Corona-Lockdown, wird die schädliche Deflation vermieden. Erst wenn dann noch mehr ausgegeben würde, könnte die Arbeitslosigkeit in Europa abnehmen und erst danach könnten wir langsam mit steigender Inflation rechnen. Allerdings gehen viele Experten davon aus, dass die bisher beschlossenen Programme bei weitem nicht ausreichen werden, um die Kaufkraftverluste auszugleichen und Europa aus der Krise zu bringen. Olafs „Wumm“ ist dazu viel zu mickrig.
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  1. ) Ob 2% ausreichend oder eher zu wenig sind, kann hier nicht diskutiert werden.
  2. ) siehe dazu Heiner Flaßbeck: https://makroskop.eu/2019/08/tunnelblick-oder-durchblick/

Foto: Dieter Schütz / PIXELIO